Tagungsbericht zur Abschlusstagung des BMBF geförderten Projektes LernBAR am 24. Juli 2021

Thema: „Berufsbildung 4.0 – Alles ist lernbar? – Konzepte und Perspektiven neuer Lernmethoden“

Mehr als 120 Teilnehmende aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis fanden am 24.06.2021 ihren Weg in den digitalen Konferenzraum der Technischen Universität Dortmund, um an der Abschlusstagung des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) -geförderten Verbundprojektes LernBAR unter dem leitenden Thema „Berufbildung 4.0 – Alles ist lernbar? – Konzepte und Perspektiven neuer Lernmethoden“ teilzunehmen.

Begrüßt wurden die Teilnehmenden durch Prof. Dr. Christian Bühler, Prodekan der Fakultät Rehabilitationswissenschaften und Leiter des Fachgebiets Rehabilitationstechnologie der Technischen Universität Dortmund.

Herr Prof. Dr. Bühler betonte in seiner Einführung die steigende Bedeutsamkeit digitaler Technologien insbesondere hinsichtlich der aktuellen COVID-19 Pandemie. Er verwies auf die herausfordernden Auswirkungen, sie sich sowohl im Projekt LernBAR, als auch in der fachlichen Landschaft abzeichnen.

Herr Timon Temps, vertretender Teilnehmer der fachlichen und organisatorischen Verwaltung des Projektes durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) richtete ebenfalls kurze begrüßende Worte an das Auditorium.

Die Moderation der Tagung übernahm Johanna Mund vom Josefsheim Bigge, die als LernBAR-Projektleitung durch die Veranstaltung führte.

Um das Onboarding der Teilnehmenden auch im digitalen Format spannend und informativ zu gestalten, wurde ein videohinterlegter Podcast eingeblendet. Interessierte finden ihn auf dem offiziellen LernBAR Youtube Kanal unter folgendem Link: https://www.youtube.com/watch?v=HVKDaM0kDeo

Einen gelungenen Auftakt in die Vortragsreihe schafften Denise Materna und Laura Wuttke vom Projektteam LernBAR mit dem Vortrag „Hauswirtschaft goes digital – Mit LernBAR neue Perspektiven schaffen“. Sie stellten das hybride Augmented Reality Konzept für Menschen mit Lernschwierigkeiten in hauswirtschaftlichen Ausbildungsberufen vor. Eine Bewertung unterschiedlicher Aspekte der Lern- und Lehrmaterialien aus unterschiedlichen Sichtweisen gab einen positiven Ausblick auf zukunftsperspektivische Nutzungsmöglichkeiten von Augmented Reality.

Ein interaktiver Perspektivwechsel in die Praxis hinein beschloss die Präsentation. So resümierten vier Praxispartnerinnen ihre persönlichen Erfahrungen der Erprobungen entwickelter Lerneinheiten und gaben einen Überblick über Chancen und Hindernisse in der Anwendung durch die Zielgruppe. In Bezug auf die Leitfrage der Veranstaltung „Alles ist lernbar?“ kamen die Vortragenden zu dem Schluss, dass technologische (Neu-)Entwicklungen hilfreich sein können, Nachteile auszugleichen, Zugänge zu schaffen und somit nachhaltigen Beitrag zu einer teilhabefördernden Entwicklung leisten können.

„Gestern Inklusion, heute Digitalisierung, morgen…? Berufliche Bildung behinderter Menschen jenseits von Schlagwörtern“ lautete der pointierte Titel des Vortrags von Kirsten Vollmer des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Frau Vollmer diskutierte kritisch die Verwendung differenter Schlagworte wie Inklusion und Digitalisierung im bildungspolitischen Diskurs. Im Hinblick auf das Ziel der beruflichen Bildung, qualifizierte berufliche Tätigkeiten zu schaffen, hinterfragte sie die Politisierung des Inklusionsbegriffes und die Kreierung sogenannter Hypes, deren Auswirkungen auf die berufliche Bildung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung laut Vollmer nicht außer Acht gelassen werden dürfen und auch für den Austausch über Chancen der Digitalisierung in diesem Feld von großer Bedeutung sind. Vollmer verwies zudem auf eine merkliche Unterrepräsentation der Gruppe der Menschen mit Lernbeeinträchtigungen in der Berufsbildung.

Im Anschluss bekamen die Teilnehmenden einen Einblick in das BMBF geförderte Verbundprojekt miTAS – ein „multimediales individuelles Trainings- und Arbeitsassistenz-System“. Die Vorstellung erfolgte durch Lena Sube vom Fachgebiet Rehabilitationstechnologie der Technischen Universität Dortmund. Unterstützung bei der Vorstellung des Projektes erhielt sie durch mitarbeitende studentische Hilfskräfte. Unter dem Titel „Ich schaff das schon! Selbstständig und digital mit miTAS“ hinterfragte Frau Sube kritisch die scheinbare Gegensätzlichkeit digitaler Tools und klassischer Hilfsmittel und widmete sich anschließend der Frage, wie digitale Tools in der Praxis eingesetzt werden können, um Selbstständigkeit zu stärken. Frau Sube kam zu dem Schluss, es sei vielleicht nicht alles für jeden lernbar, jeder Lerninhalt sei jedoch bereit, aufgearbeitet und unter bestmöglicher Unterstützung an heterogene Zielgruppen herangetragen zu werden.

Cosima Nellen vom Fachgebiet Qualitative Forschungsmethoden und strategische Kommunikation für Gesundheit, Inklusion und Teilhabe (CHIP) der Technischen Universität Dortmund präsentierte den Teilnehmenden einen praxisorientierten Einblick in „Digitale Lernangebote für Menschen mit Behinderung. Chancen, Herausforderungen, Gelingensfaktoren.“. Nellen benannte konkrete Gelingensfaktoren, die für digitale Lernangebote für Menschen mit Behinderungen essenziell sind. Hierbei werden unter anderem ein zielgruppengerechter struktureller Aufbau sowie angemessene Kommunikation und Austauschmöglichkeiten auf mehreren Ebenen gefordert. Sie leitete darauf hinaus, dass unter Berücksichtigung dieser Faktoren Inhalte sowohl auf verschiedene Zielgruppen anpassbar als auch in ein digitales Format transformierbar sind.

Das Resümee des Vormittags erfolgte mittels einer Diskussionsrunde für Fragen und Anregungen der Teilnehmenden. Neben einigen Rückfragen zu den vorgestellten Projekten wurden auch inhaltliche Fragen diskutiert. Es entstand ein Dialog darüber, wie digitale Inhalte nachhaltig in die Praxis implementiert werden können und welche Voraussetzungen erforderlich sind. Eingebracht wurde beispielsweise der Wunsch, einer Abhängigkeit der Nutzenden von Medien vorzubeugen. Auch die Kosten etwaiger Anschaffungen durch wirtschaftlich agierende Praxisunternehmen wurden in diesem Zusammenhang thematisiert und entsprechende Förderstellen, z.B. die Stiftung Wohlfahrtspflege, benannt. Weiterhin erfolgte ein reger Austausch über Chancen und Risiken der Digitalisierung im Bereich Berufsausbildung.

Nach der Mittagspause gab Prof. Dr. Michael Martin des Fachgebiets Berufliche Didaktik im Subcluster Ökotrophologie der Hochschule Osnabrück Einblick in „Digitale (Unterrichts-)Medien – Implikationen für die Lehrer*innenbildung (nicht nur) in der beruflichen Fachrichtung Ökotrophologie“ und zeigte damit eine andere Perspektive auf: Die Sichtweise der Lehrenden an berufsbildenden Schulen. Prof. Dr. Martin berichtete über praktische Erfahrungen, Möglichkeiten zur Bildung von Digitalkompetenzen sowie über einen adäquaten Einsatz digitaler Medien. Er stellte Daten zur Digitalisierung vor, die zeigen, dass viele Menschen sich mehr Input zu digitalen Themen wünschen. Gleichzeitig bemängelte Prof. Dr. Martin, dass viele Lehrende sich nicht ausreichend auf die Anleitung zur Entwicklung digitaler Kompetenzen vorbereitet fühlen und plädierte für eine reflektierte Nutzung der Digitalisierung im beruflichen Arbeitsbereich.

Dominic Fehling vom Institut für Systemforschung der Informations-, Kommunikations- und Medientechnologie der Bergischen Universität Wuppertal „Immersive Lernwelten – Augmented und Virtual Reality für die Berufsbildung“ erweiterte die Thematik über AR hinaus auf den Bereich Virtual Reality und wandte bereits zu Beginn ein, dass beide Technologien nur dann einen didaktischen Mehrwert bieten, wenn sie sinnvoll eingesetzt und nicht als Surrogat verwendet werden. Herr Fehling präsentierte einen Überblick über die Verortung einzelner geförderter Projekte zu AR und VR in Deutschland und ermöglichte somit auch eine Einordnung von LernBAR.

Kristina Luksch vom Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Studienbereich Hebammenwissenschaften, der Hochschule für Gesundheit Bochum gestaltete ihren Vortrag unter der Fragestellung „Heb@AR – Augmented Reality gestützes Lernen in der hochschulischen Hebammenausbildung – teure Spielerei oder nachhaltige Lernmethoden?“. Frau Luksch ermöglichte einen beispielhaften Einblick in die praktische Umsetzung von AR zum Erwerb fachlicher Kompetenzen für Notfallsituationen am Beispiel des Einsatzes in der Hebammenausbildung. Frau Luksch betonte am Ende ihrer Präsentation die positiven Rückmeldungen, die AR in diesem Kontext als attraktives, zielführendes und flexibles Lehrmaterial bewerten.

Abgerundet wurden die Präsentationen durch den Vortrag von Dr. Britta Kirchhoff der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter der Leitfrage „Inklusionschancen und Exklusionsrisiken durch neue Technologien – Wie verändern sich Arbeitsaufgaben?“. Frau Kirchhoff beschrieb die Rolle einer lernförderlichen Arbeitsgestaltung im Kontext von Kriterien zur menschengerechten Arbeitsgestaltung. Darüber hinaus beleuchtete Frau Kirchhoff, inwieweit durch neue Technologien Inklusionschancen und Exklusionsrisiken entstehen können. Die Präsentation schloss mit dem Wunsch Frau Kirchhoffs nach stärkerer Vernetzung von Verantwortlichen für Arbeitsgestaltung und Ausbildung, um die Potenziale digitaler Technologien bestmöglich ausschöpfen zu können.

Der Nachmittag endete mit einer zweiten Diskussionsrunde, welche ebenfalls einen interaktiven Austausch der Beteiligten generierte. So wurden exemplarisch folgende Fragestellungen diskutiert: Wie müssen künftige Lehrkräfte grundsätzlich auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden? Was brauchen wir für Kompetenzen und wo bekommen wir die Bausteine dafür her? Wie kann eine Finanzierung dessen gewährleistet werden? Berichtet wurde unter anderem über Erfahrungen in der gezielten Ausbildung von Multiplikator*innen zur Unterstützung von Ausbildenden und Lehrkräften. Es wurde darauf hingewiesen, dass Fort- und Weiterbildungen sowie die Bereitstellung und Nutzung fachlicher Austauschplattformen nur dann stattfinden können, wenn die personellen und zeitlichen Ressourcen dafür bereitgestellt werden. Resümierend wurde insbesondere der Aspekt der Zusammenarbeit und des Austauschs von vielen Teilnehmenden als fundamentaler Baustein der Medienkompetenz-Entwicklung herausgestellt.

Die Agenda der Tagung sowie die jeweiligen Präsentationen finden Sie unten im Tagungsprogramm.

Tagungsprogramm:

08:45 – 09:00 Onboarding in Zoom
09:00 – 09:15 Prof. Dr. Christian Bühler (Prodekan Fak. 13 & Fachgebietsleitung Rehabilitationstechnologie, TU Dortmund) Begrüßung und Einführung
09:15 – 10:00 LernBAR Projektteam „Hauswirtschaft goes digital – Mit LernBAR neue Perspektiven schaffen“ Präsentation_PDF
10:15 – 10:45 Kirsten Vollmer (BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung) „Gestern Inklusion, heute Digitalisierung, morgen…? Berufliche Bildung behinderter Menschen jenseits von Schlagwörtern“ Präsentation_PDF
11:00 – 11:30 Lena Sube (Rehabilitationstechnologie, TU Dortmund) „Ich schaff das schon! Selbstständig und digital mit miTAS“ Präsentation_PDF
11:45 – 12:15 Cosima Nellen (Qualitative Forschungsmethoden und strategische Kommunikation für Gesundheit, TU Dortmund) „Digitale Lernangebote für Menschen mit Behinderung. Chancen, Herausforderungen, Gelingensfaktoren.“ Präsentation_PDF
12:30 – 13:00 Diskussion
13:00 – 13:30 Mittagspause
13:30 – 13:45 Resümee Vormittag
13:45 – 14:15 Prof. Dr. Michael Martin (Hochschule Osnabrück) „Digitale (Unterrichts-)Medien – Implikationen für die Lehrer*innenbildung (nicht nur) in der beruflichen Fachrichtung Ökotrophologie“ Präsentation_PDF
14:30 – 15:00 Dominic Fehling (Bergische Universität Wuppertal) „Immersive Lernwelten – Augmented und Virtual Reality für die Berufsbildung“ Präsentation_PDF
15:15 – 15:45 Kristina Luksch (hsg Bochum – Hochschule für Gesundheit) „Heb@AR – Augmented Reality gestütztes Lernen in der hochschulischen Hebammenausbildung – teure Spielerei oder nachhaltige Lernmethode?“ Präsentation_PDF
16:00 – 16:30 Dr. Britta Kirchhoff (BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) „Inklusionschancen und Exklusionsrisiken durch neue Technologien – Wie verändern sich Arbeitsaufgaben?“ Präsentation_PDF
16:45 – 17:15 Diskussion, Ausblick und Abschluss der Veranstaltung